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WWW2010 Bericht

26.-30. April 2010 in Raleigh, NC, USA


Inhaltsverzeichnis:

  1. Konferenz auf einen Blick
    1. Anreise und Ausflug (23..25-Apr-2010)
    2. Tutorial "Introduction to Social Recommendation" (26-Apr-2010)
    3. Workshop "Linked Data on the Web" (27-Apr-2010)
    4. Erster Konferenztag (28-Apr-2010)
    5. Zweiter Konferenztag (29-Apr-2010)
    6. Dritter Konferenztag (30-Apr-2010)
  2. Dokumentation
  3. Geschichte und Statistik
  4. Vorangegangene Konferenzen

1. Konferenz auf einen Blick:

Die Schlüsselbegriffe dieser Konferenz waren für mich "social" und "HTML 5". Zum einen wurde der Wert "sozialer Daten" gepriesen - Wer hat eine Beziehung zu wem ? Wer empfiehlt was ? - zum anderen wurde aber auch darauf hingewiesen, wie heikel oder allenfalls gar unmoralisch es sein kann, soziale Daten zu Forschungs- oder gar kommerziellen Zwecken zu nutzen/missbrauchen.

In der Eröffnungsrede drängte Vint Cerf - der gerne als Vater des Internets bezeichnet wird - darauf, endlich IPv6 einzuführen, weil uns spätestens im Jahr 2012 die IPv4-Adressen ausgehen würden. Anschliessend wurde auf dem Podium im Beisein von Tim Berners Lee - dem Vater des Webs - unter anderem darüber diskutiert, dass insbesondere in den USA der freie Zugang zum Internet auf Grund gewisser Gesetze gefährdet sei und was man dagegen tun könnte.

Auch wenn HTML 5 noch immer in Entwicklung ist, so zeichnen sich doch sehr spannende Neuerungen ab. Neben vielen anderen Neuerungen und Ergänzungen sollen für Eingabefelder in Formularen verschiedene Typen definiert werden. Eingaben werden dann sofort auf Konformität geprüft, so dass entsprechende Validierungs-Scripts unnötig würden. Auch sollen Dokumente besser strukturiert werden. CSS wird ebenfalls laufend weiterentwickelt.

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1.1 Anreise und Ausflug (23..25-Apr-2010):

Zum neunzehnten mal treffen sich Fachleute aus der ganzen Welt zum Gedankenaustausch bezüglich World Wide Web. Dieses Jahr wurde die Stadt Raleigh in North Carolina im Osten der USA als Austragungsort gewählt.

Noch vor einer Woche habe ich mit Bangen alle paar Stunden die Websites der Zeitungen und vorallem von Swiss konsultiert, um abzuschätzen, ob die Webkonferenz nach 16 Jahren Präsenz meinerseits tatsächlich zum ersten Mal ohne mich stattfinden würde. Zur Erinnerung: Am 14. April 2010 brach in Island der Vulkan Eyjafjallajökull aus und seine vulkanische Asche legte mehr oder weniger den ganzen Flugverkehr zwischen Europa und Nordamerika lahm. Doch um es mit der Flughafensprecherin von Reykjavik zu formulieren: Die Götter waren mir gut gestimmt und liessen mich nicht zuhause festsitzen.

Beim Einsteigen am Gate gab es dann aber doch noch eine Überraschung. Als die Dame meine Boardingcard unter den Scanner hielt, spuckte das Kästchen einen Zettel aus, auf welchem stand "You have been upgraded to Business class" - wow! So flog ich dann wie ein kleiner König über den Atlantik, mit beliebig viel Platz (3 Fenster) und wurde dabei erst noch kulinarisch verwöhnt. Die Weiterreise von JFK nach Raleigh an Bord eines American Eagle ging dann deutlich gedrängter von statten. Das Flugzeug war so niedrig, dass selbst ich mit meinen 176 cm mit dem Kopf an die Decke stiess und für eine Gepäckablage über dem Sitz gab es auch keinen Platz. Immerhin hatte ich einen Einzelsitz, auf der anderen Gangseite mussten sich die Passagiere zu zweit hineinquetschen (das macht 3 Sitze pro Reihe, das muss das kleinste Passagierflugzeug sein, in dem ich je gesessen bin). Entsprechend unruhig war der Flug, aber es ging ja auch nur 90 Minuten.

Swiss Airbus auf dem Flughafen Zürich-Kloten Flughafen Zürich-Kloten aus der Vogelperspektive
Swiss Airbus auf dem Flughafen Zürich-Kloten Flughafen Zürich-Kloten aus der Vogelperspektive
American Eagle auf dem Flughafen JFK in New York, USA Atlantikküste zwischen New York und Raleigh
American Eagle auf dem Flughafen JFK Atlantikküste zwischen New York und Raleigh

Auf den Nummernschildern der Autos im Staat North Carolina steht "First in Flight". Gemeint sind damit die vier Flüge der Gebrüder Wright, welche am 17. Dezember 1903 in Kitty Hawk als erste Menschen erfolgreich mit einem motorgetriebenen Flugzeug geflogen sind. Kitty Hawk liegt an der Küste, gut 250 km östlich von Raleigh. Trotz der Distanz liess ich es mir nicht nehmen, am Samstag mit einem Mietwagen zum Wright Brothers National Monument zu fahren. Einige Bilder dazu findet man in meiner Bilder-Galerie.

Wright Brothers National Monument in Kitty Hawk, North Carolina Reto vor dem Wright Brothers Monument in Kitty Hawk, North Carolina
Wright Brothers National Monument in Kitty Hawk, North Carolina Reto vor dem Wright Brothers Monument
Markierungen der ersten vier Flüge der Wright Brothers in Kitty Hawk, North Carolina Nachbau des Flyer (erstes motorgetriebens Flugzeug der Welt)
Markierungen der ersten vier Flüge der Wright Brothers Nachbau des Flyer (erstes motorgetriebenes Flugzeug der Welt)

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1.2 Tutorial "Introduction to Social Recommendation" (26-Apr-2010):

Heute nun hat die Konferenz begonnen. Ich besuchte das Tutorial mit dem Titel "Introduction to Social Recommendation". "Sozial" ist das Schlagwort dieser Konferenz. In der Einleitung wurde erwähnt, dass Facebook mit 400 mio Subscribers die drittgrösste "Nation" auf unserem Planet darstellt (die USA haben 308 mio Einwohner, China und Indien über 1000 mio). Es scheint mir zwar etwas vermessen, die Facebook Community mit einer Nation zu vergleichen, aber die Zahl ist schon beeindruckend. Dem Autor ging es auch vorallem darum zu zeigen, wie weitgefächert die sozialen Kontakte heute Dank dem Web sind und noch mehr, was man mit solchen Informationen anstellen kann. Angefangen bei ganz banalen Auswertungen von bei Google benutzten Suchbegriffen. Erstellt man z.B. eine Grafik, wo in den USA Worte rund um den Begriff "Grippe" eingegeben werden, so kann man die Ausbreitung einer Grippewelle besser lokalisieren als über die Daten der Gesundheitsbehörde. Wenn die Leute Symptome einer Grippe erkennen, suchen sie zum einen nach deren Beschreibung und zum anderen nach Medikamenten. Die Gesundheitsbehörden dagegen sammeln die Daten bei Ärzten und Spitälern und hinken dadurch um etwa 2 Wochen der tatsächlichen Ausbreitung hinterher. Der Zugriff auf bei Suchmaschinen benutzte Begriffe kann eine äusserst wertvolle und hilfreiche Datenquelle sein. Sollte die ETHZ irgendwann wieder einmal den Betrieb einer eigenen Suchmaschine in Erwägung ziehen, so sollte dieser Aspekt nicht vernachlässigt werden.

Allerdings ging es in diesem Tutorial ja nicht um Suchmaschinen, sondern um "Social Recommendation", also um "soziale Empfehlungssysteme". Der Übergang scheint mir allerdings fliessend, denn GoogleAds und "Sponsored Links" sind ja nichts anderes als Empfehlungen, welche den Suchresultaten mehr oder weniger offensichtlich beigemischt werden. Auch sind gerade in der Schweiz Websites wie toppreise, preisvergleich usw. in Suchresultaten häufig sehr penetrant vertreten. Diese sind auch eine Art von Empfehlungs-Systeme, allerdings fehlt hier noch die soziale Komponente. Diese soll nun die Empfehlungen für ein einzelnes Individum noch mehr verbessern. Dazu braucht es zum einen das Profil der Zielperson (was mag sie, was mag sie nicht) und zum anderen die Profile der Freunde der Zielperson. Die Empfehlungssysteme analysieren dann die Resultate der Suche und bringen Sie in einen Zusammenhang mit dem Profil der Zielperson und deren Freunde. Letzteres verbessert die Empfehlungen deshalb, weil die Informationen über die Zielperson häufig knapp und unvollständig sind. Wenn man aber die Vorlieben und Abneigungen der Freunde der Zielperson kennt, so kann man diese zusätzlich einbringen. Wenn viele Freunde der Zielperson etwas mögen, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass auch die Zielperson dieses etwas mag. Das gleiche gilt für Abneigungen. Der Kreis lässt sich noch erweitern, wenn man auch noch die Freunde der Freunde miteinbezieht. Schwierig wird es, wenn die Zielperson etwas mag, der Freund der Zielperson nicht, der Freund des Freundes aber schon. Die Annahme, "the enemy of my enemy is my friend" ist in diesem Zusammenhang sehr gewagt und kann die Resultate falsch beeinflussen.

Im Laufe des Tutorials wurde viele statistische Formeln präsentiert. Wer sich für diese im Speziellen oder das Tutorial im Allgemeinen interessiert, findet die 216 Folien hier.

Stadtzentrum von Raleigh bei Nacht Konferenz-Zentrum von Raleigh bei Nacht
Stadtzentrum von Raleigh bei Nacht Konferenz-Zentrum von Raleigh bei Nacht

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1.3 Workshop "Linked Data on the Web" (27-Apr-2010):

Am zweiten Tag der Konferenz stand ein ganztägiger Workshop zum Thema "Linked Data on the Web" (LDOW) auf meinem Programm. Das Spektrum der Diskussionen reichte von sehr technisch bis philosophisch.

Linked Data - so etwas wie die Vorstufe zum Semantic Web - ist neben Web Science seit vielen Jahren eines der Lieblingsthemen von Tim Berners Lee (unter Insidern auch liebevoll "TBL" genannt). So war es nicht erstaunlich, dass er als Mitorganisator für diesen Workshop zeichnete und auch sehr aktiv an den Diskussionen teilnahm. Einmal mehr bewunderte ich im Laufe des Tages, wie TBL trotz den zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen ein ganz normaler Mensch ohne Starallüren geblieben ist. Es gibt keine Sonderbehandlung, in der Kaffeepause stellt er sich wie alle anderen in die Reihe.

Es wurden sehr viele Themen rund um "linked Data" diskutiert. Zum einen wurden diverse Ansätze vorgestellt, wie aus sogenannten "legacy Daten" mehr oder weniger automatisiert RDF-Tripplets erzeugt werden können. Solange aber die Daten in traditionellen Datenbanken gepflegt werden, müssen sie immer wieder neu extrahiert werden, das scheint mir ein unglücklicher Umstand zu sein. Wenn die Datenmenge und die Anzahl Änderungen pro Zeiteinheit überschaubar bleiben, so mag dieser Ansatz praktikabel sein, aber irgendwann stösst man an eine Grenze des vertretbaren Aufwandes. Auf dem Weg von "linked Data" zum Sematic Web kommt irgendwann OWL ins Spiel, eine Sprache um Zusammenhänge zwischen Daten zu beschreiben und diese für Maschinen interpretierbar zu machen. Nun ist das Interpretieren von Daten so eine Sache. Bei einer Zeitangabe für den Beginn einer Vorlesung oder der Abfahrt des nächsten Zuges ist man sich selbst auf einer globalen Skala - abgesehen von den sehr unterschiedlichen Zeitformaten - vermutlich bald über deren Bedeutung einig. Bei Begriffen wie "Feiertag" wird es aber dann schon viel schwieriger, selbst innerhalb eines kleinen Landes wie der Schweiz. Ein Teilnehmer warnte, die unterschiedliche Interpretation des Begriffs "Gott" hätte die Menschheit schon in Kriege geführt, was dann zur Eingangs erwähnten philosophischen Diskussion führte.

Nach dem Mittagessen - welches übrigens in Anbetracht des Durchführungsortes durchaus als schmackhaft und vielseitig bezeichnet werden darf - beruhigten sich die Gemüter dann wieder. Erik Wilde - einst "Mister XML" an der ETH Zürich - erläuterte in seinem Kurzvortrag Ansätze, wie z.B. Informationen aus Webseiten gewonnen und in RDF-Tripplets gespeichert werden können. Was mir bei seinem Ansatz besonders gefiel war die Idee, die Informationshäppchen in den Webseiten nicht nur auf Grund von Tags und dem Format der Information selbst zu identifizieren (eine Telefonnummer oder Email-Adresse lässt sich maschinell recht gut erkennen), sondern die CSS-Klassen zu Hilfe zu nehmen. Würde also z.B. auf einer Webseite mit Angaben zu einer Person CSS-Klassen wie "Vorname", "Nachname", "Telefonnummer" usw. benutzt, so könnte man den Inhalt mit grosser Zuverlässigkeit maschinell interpretieren.

Ganz besonders mein Interesse geweckt hat dann am Nachmittag noch der Vortrag mit dem Titel "An HTTP-Based Versioning Mechanism for Linked Data". Hier ging es nämlich um Archivierung, wenn auch nicht direkt im Sinne eines Webarchivs, sondern eher um eine Art "Snapshots". Im Vortrag wurde allerdings nicht behandelt, wie diese Snapshots zustande kommen, es wurde offensichtlich als selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Inhalt der betroffenen Dokumente periodisch gespeichert wird. Es ging nun darum, wie man die verschiedenen Versionen eines Dokumentes adressieren könnte. Dazu wurde ein Time Server und eine Erweiterung der HTTP-Spezifikationen vorgeschlagen. Im aktuellen Dokument sollte ein Link zum Time Server eingebaut werden. Im erweiterten HTTP-Datenpaket soll der Zeitpunkt mitgegeben werden, für welchen man den Stand des Dokumentes haben möchte. Der Time Server liefert dann das entsprechende Dokument und versteht auch Anweisungen wie "vorangehende Version", "nachfolgende Version", "erste Version" usw. Ich bin sehr gespannt, ob sich dieser Ansatz durchsetzen kann - die Idee schien nicht nur mir bestechend. Allerdings nützt die ganze Übung nur etwas, wenn man auch von Zeit zu Zeit eine Kopie der aktuellen Dokumente erstellt und diese archiviert. A propos Archivierung: Es wurde erwähnt, dass die Library of Congress sämtliche "Twitters" archivieren werde. Den Info-Häppchen wird als zeitgenössische Dokumente grosser und kleiner Ereignisse genug Bedeutung zugemessen, als dass sie der Nachwelt erhalten bleiben sollen. Dieses Vorgehen stimmt genau mit meiner Überzeugung überein, dass nur eine archivierte Information eine gute Information ist.

Damit gehen die Tage der Tutorials und Workshops zu Ende. Morgen nun geht es dann richtig los mit der Konferenz. Ich freue mich sehr, denn es sind einige sehr interessante Rednerinnen und Redner angekündigt. Übrigens sind gemäss Teilnehmerliste 1040 Personen registriert, davon sind nach meiner Schätzung mindestens 66% aus den USA. 8 TeilnehmerInnen aus der Schweiz sind aufgeführt, darunter eine Person von der EPFL und Cesare Pautasso von der Universität Lugano. Letzteren kenne ich von der Webkonferenz in Peking, wo wir zusammen mit Erik einen Tag lang die Verbotene Stadt besucht hatten.

Mariott Hotel in Raleigh, North Carolina, USA Konferenz-Zentrum in Raleigh, North Carolina, USA
Mariott Hotel in Raleigh Konferenz-Zentrum
Eingangshalle und Registration im Konferenz-Zentrum in Raleigh, North Carolina, USA Mittagessen im Konferenz-Zentrum in Raleigh, North Carolina, USA
Eingangshalle und Registration Mittagessen

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1.4 Erster Konferenztag (28-Apr-2010):

Heute wurde nun die Web-Konferenz offiziell eröffnet. Danach war so etwas wie Vatertag. Im weiteren Verlauf gab es eine Diskussionsrunde unter dem Titel "FutureWeb" und das Thema "Privacy" wurde behandelt. Am Abend wurden dann im Rahmen einer "Welcome Reception" die Posters präsentiert.

Nach der recht trockenen offiziellen Eröffnungszeremonie kamen diverse Väter zu Wort. Zuerst präsentierte Vint Cerf - der oft als Vater des Internets bezeichnet wird - unter dem Titel "Bandwidth, Clouds and Things, Oh My!" seine Sicht der aktuellen Situation rund um das Internet. Er warnte, dass spätestens im Jahr 2012 die IPv4 Adressen ausgehen werden und es höchste Zeit sei, IPv6 endlich flächendeckend einzuführen. Zwar wurde schon mehrfach vorausgesagt, dass die IPv4 Adressen demnächst ausgehen würden und irgendwie fand die Menschheit dann doch immer noch Tricks und Lösungen, um den drohenden Kollaps abzuwenden, aber ich stimme dem Mann, der es eigentlich wissen muss zu, dass die Zeit für IPv6 überreif ist und gerade technische Hochschulen bei der Umsetzung von IPv6 voranschreiten sollten. In seinem Vortrag erwähnte er unter anderem einige eindrückliche Zahlen: Zur Zeit sind 800'000'000 Computer mit dem Internet verbunden (bzw. gibt es für so viele Computer DNS-Einträge) und es gibt weltweit 1'802'000'000 Benutzer. Inzwischen sind 26.6% der Weltbevölkerung online. Ich kann mich noch an Web-Konferenzen erinnern, da wurde gesagt, dass die Anzahl Benutzer des Internets gerundet bei 0% liegt. Allerdings schwankt die Verbreitung des Internet-Zugangs noch immer gewaltig. In den skandinavischen Ländern ist annährend 100% der Bevölkerung online, in den USA 65%, in China 20% und in Afrika sind es einige wenige. Zudem betonte Vint die Wichtigkeit einer geordneten Archivierung. Er warnte, dass wenn wir es verpassen würden, Daten rechtzeitig in geeigneten Formaten zu archivieren, dass wir unseren Nachkommen bloss einen riesigen Haufen verrotteter, unbrauchbarer Bits hinterlassen würden.

Anschliessend gab es eine Podiumsdiskussion zum Thema "Open Government and the World Wide Web". Teilnehmer war zum einen Tim Berners Lee, der Vater des Webs. Daneben sassen unter anderem David Ferriero, Archivist of the United States und Andrew McLaughlin, Deputy U.S. Chief Technology Officer in the Executive Office of the President auf der Bühne. Es wurde hervorgehoben, wie wichtig es sei, dass die Verwaltungen Daten in einheitlichen und offenen Standards ablegen. David Ferriero beklagte, dass jede Verwaltungseinheit eigene Datenformate und eigene Prozesse definiert habe, was seine Arbeit als Archivar äusserst schwierig mache. Er lobte die Bemühungen der Obama-Administration, diese Datenhaltungen zu vereinheitlichen. Von anderer Seite wurde dagegen beklagt, dass gewisse administrative Einheiten - insbesondere auf lokaler Ebene - die Einsicht in Daten wie zum Beispiel den Verlauf der Kanalisation mit Hinweis auf den Schutz vor Terrorismus verweigern würden. Es ist demnach noch ein weiter Weg zur offenen Verwaltung.

Am Nachmittag stand noch einmal TBL im Mittelpunkt des Interesses. Zusammen mit Danny Weitzner erörterte er unter dem Titel "FutureWeb" Fragen zur Entwicklung des Webs. Es wurde festgehalten, dass zur Zeit 65% der Amerikaner einen Highspeed-Internet-Zugang hätten. Dabei gilt DSL oder mehr als Highspeed. Es wurden Untersuchungen angestellt, wer diese 35% der Bevölkerung sind, die keinen Internet-Zugang haben, wo diese Leute leben und vorallem, warum sie keinen Zugang haben. Dabei schien niemand in Erwägung zu ziehen, dass es Leute geben könnte, die vielleicht gar kein Internet wollen oder brauchen. Jedenfalls hat der Staat ein Programm ins Leben gerufen, welches den Ausbau der "Mittleren Meilen" fördert. Gemeint ist damit, dass Leitungen mit genügend Bandbreite von den grossen Backbones in Regionen erstellt werden, wo es noch wenige Internet-Zugänge gibt. Dies soll die Firmen, welche dann die "Letzte Meile" anbieten, in die Lage versetzen, die noch nicht erschlossenen Bevölkerungsteile zu vertretbaren Konditionen ans Internet anzuschliessen. Erwähnt wurde auch ein Rechtsstreit zwischen den Behörden und den Internet-Providern zum Thema "Internet Neutralität". Es wurde ein Gesetz erlassen, welches die Provider verpflichtet, via Internet alle Anwendungen und jeden Inhalt ohne Diskriminierung anderer Provider zu klar verständlichen Preisen anzubieten. Die Provider haben sich erfolgreich gegen dieses Gesetz zur Wehr gesetzt. Damit haben die Provider theoretisch die Möglichkeit, z.B. unter dem Vorwand, sie müssten Ihre Resourcen aus technischen Gründen und zur Wahrung der Betriebssicherheit kontrolliert einsetzen, Inhalt zu blockieren und damit eine Art Zensur auszuüben. Die Behörden sind jetzt bestrebt, die rechtlichen Unsicherheiten zu beseitigen und ein freies Internet zu garantieren.

Der Tag wurde mit einem Apero und der Präsentation der Poster abgeschlossen.

Bebo White an der Podiumsdiskussion FutureWeb Vincent Cerf an der Podiumsdiskussion FutureWeb
Bebo White Vincent Cerf
Daniel J. Weitzner und Tim Berners Lee an der Podiumsdiskussion FutureWeb Erik Wilde beim Mittagessen im Konferenz-Zentrum in Raleigh, North Carolina, USA
Daniel J. Weitzner und Tim Berners Lee Erik Wilde beim Mittagessen
Posters im Konferenz-Zentrum in Raleigh, North Carolina, USA Posters im Konferenz-Zentrum in Raleigh, North Carolina, USA
Posters Posters

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1.5 Zweiter Konferenztag (29-Apr-2010):

Heute stand wie schon am ersten Tag der Begriff "Sozial" im Zentrum des Interesses, wenn auch in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Daneben wurde beispielsweise mit WebGL aber auch sehr Technisches geboten.

Die heutige Keynote wurde von einer Dame bestritten. danah boyd - ihr Name wird überall konsequent klein geschrieben, was mir natürlich sehr gefällt - behandelte das Thema "Privacy". Sie rief die Forschergemeinde zur Zurückhaltung beim Gebrauch öffentlich zugänglicher Daten auf - allerdings gelten ihre Ausführungen meiner Meinung nach nicht nur für Forscher. Sie meinte, auch wenn Informationen öffentlich zugänglich sind, so heisst das noch lange nicht, dass man sie für jeden Zweck benutzen / missbrauchen darf. Es gibt auch ethische Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Dabei unterschied sie zwischen PII (personally identifiable information), also Daten, die Rückschlüsse auf eine bestimmte Person zulassen und PEI (personally embarrassing information), also Daten, welche eine Person in Verlegenheit bringen können. Sie bemängelte, dass Anwendungen wie Facebook die Privatsphäre nur ungenügend schützen, weil die Einstellungsmöglichkeiten zu kompliziert und die Voreinstellungen oft zu wenig restriktiv sind. Noch schlimmer sind Änderungen in den Policies, die dazu führen, dass vertrauliche Daten plötzlich öffentlich zugänglich sind. Sie rief zu Zurückhaltung bei der Verwendung von Informationen aus sozialen Netzwerken zu Forschungszwecken auf, weil sie oft aus dem Zusammenhang gerissen und falsch interpretiert würden. Wenn beispielsweise in einer Studie angenommen werde, dass einem die Person am nächsten stehe, mit der man am häufigsten Kontakt habe, so sei das Blödsinn. Sie hätte mit Ihren Arbeitskollegen zwar häufiger Kontakt als mit Ihrer Mutter, trotzdem stehe ihr ihre Mutter viel näher. Die Interpretation von Daten ist gerade bei sozialen Netzwerken äusserst heikel und muss daher mit grosser Vorsicht angegangen werden.

Nach dem Mittagessen wurden Anwendungen von WebGL gezeigt. WebGL ist ein Vorschlag (Working Draft), wie dreidimensionale Bilder in Webseiten integriert werden könnten. Basis dazu ist das in HTML 5 vorgeschlagene neue Element "Canvas". Die Idee von WebGL ist, bewegte, programmgesteuerte 3D-Bilder in Webseiten integrieren zu können, ohne dass für die Darstellung ein externes Programm oder Plug-in nötig wäre. Damit könnte WebGL beispielsweise Flash ersetzen. Mehr zu HTML 5 im morgigen Bericht.

Ebenfalls sehr interessant war die Präsentation von SWAF (Spoken Web Application Framework). Dieses Framework dient der Erstellung einer Voice WebSite via Mobile Phone. In Ländern mit sehr schlechtem Internet-Zugang ist das Mobiltelefon häufig die einzige Möglichkeit zu kommunizieren. Eine Voice WebSite ist vergleichbar mit einem intelligenten Anrufbeantworter, mit welchem der Anrufende interagieren kann. Dem Anrufer werden Fragen gestellt, die mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden können oder man kann aus einer Liste etwas auswählen. Basierend auf der Antwort des Anrufenden wird der Dialog entsprechend fortgesetzt. Da aber auch dem Ersteller der Voice Website kein Internet-Zugang zur Verfügung steht, wird auch die Voice WebSite selbst via Mobiltelefon erstellt. Dieser Vorgang wird durch das präsentierte Framework unterstützt bzw. erst ermöglicht.

Ein Höhepunkt der ganzen Konferenz war dann der "Social Event" am Abend. Zwar fand ich das Essen nicht gerade berauschend, aber der Auftritt der Musikgruppe "Carolina Chocolate Drops" war fantastisch. Die Band besteht aus zwei Männern und einer Frau und begeisterte mit modern gespielter traditioneller Musik aus dem gastgebenden Staat, vorgetragen mit grossem Können und erfrischendem Humor. Die Gruppe wird demnächst in Europa unterwegs sein - wer Gelegenheit haben sollte, einen Ihrer Auftritte zu besuchen, dem kann ich das nur wärmstens empfehlen.

Nach dem Konzert hatte ich Gelegenheit, mich mit zwei "Locals" zu unterhalten. Raleigh ist mit 400'000 Einwohner ähnlich gross wie Zürich und eine stark aufstrebende Stadt. Mit Erstaunen nahm ich zur Kenntnis, das Credit Suisse hier eine Abteilung zur Software-Entwicklung mit über 1000 MitarbeiterInnen unterhält. Schade hat man uns um 2200 Uhr aus dem "Center for Performing Arts" geschmissen, wird hat uns gerade sehr gut unterhalten ...

Keynote mit danah boyd Konferenz-Zentrum in Raleigh, North Carolina, USA
danah boyd Konferenz-Zentrum
Das Mittagessen steht bereit im Konferenz-Zentrum in Raleigh, North Carolina, USA Seitengang im Konferenz-Zentrum in Raleigh, North Carolina, USA
Das Mittagessen steht bereit Seitengang

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1.6 Dritter Konferenztag (30-Apr-2010):

Der heutige Konferenztag stand für mich vorwiegend im Zeichen von HTML 5. Die Weiterentwicklung des HTML-Standards scheint mir Zentral für die Zukunft des Webs. Während der Closing Ceremony wurde die Verantwortung für die Serie der Webkonferenzen an die nächsten Veranstalter weitergegeben.

Auch der heutige Konferenztag wurde mit einer Plenary Session eröffnet. Carl Malamud berichtete von seinem Kampf für den freien und kostenlosen Zugang zu den von den Behörden gesammelten Daten. Im Vordergrund standen Informationen der verschiedenen Gerichte. Diese Dokumente sind per Definition frei von Copyrights, können aber oft nur gegen Bezahlung bezogen werden, wobei der Verkauf in gewissen Fällen über Privatfirmen erfolgt. Da die Preise für diese Dokumente oft sehr hoch sind, führt dies dazu, dass sich Reiche rechtliche Vorteile verschaffen können. Carl hat diese Situation unter anderem dadurch bekämpft, dass er solche Dokumente gekauft und dann auf's Web gestellt hat. Da diese Dokumente wie erwähnt nicht per Copyright geschützt sind, ist dieses Vorgehen zwar rechtlich korrekt aber aus leicht nachvollziehbaren Gründen nicht immer sehr geschätzt worden. Carl hat deshalb in der Internet-Gemeinde so etwas wie den Status eines Robin Hood. Als Bundesangestellter habe ich allerdings ein etwas zwiespältiges Gefühl, wenn jemand kein gutes Haar an den staatlichen Institutionen lässt.

Ich habe letztes Jahr den W3C-Track (Vortragsreihe des WWW-Consortiums) sehr vermisst und mich daher gefreut, als er dieses Jahr wieder im Programm auftauchte. Tatsächlich scheinen mir diese Präsentation etwas vom wertvollsten dieser Konferenz. Mit grossem Interesse habe ich die Erläuterungen zu HTML 5 verfolgt. Die Spezifikationen sind zwar noch lange nicht definitiv, aber es zeichnen sich einige spannende Neuerungen bzw. Ergänzungen ab. Im Bereich Forms wird es zahlreiche Erweiterungen geben. So wird man zum einen Eingabefelder für bestimmte Datentypen definieren können (Datum, Email, Zahlenwerte, URI usw.) zum anderen kann man Texte definieren, die verschwinden, sobald der Benutzer beginnt, Eingaben zu machen. "Eingabefelder", welche einen Wertbereich festlegen, können vom Browser als Schieber dargestellt werden. Daneben wird es Möglichkeiten geben, Videos direkt in Webseiten zu integrieren, wobei die zu unterstützenden Codecs noch sehr umstritten sind. Im weiteren wird HTML 5 SVG und MathML integrieren. Schliesslich wird es neue Elemente geben, um Dokumente besser strukturieren zu können. Dazu gehören beispielsweise "Header", "Footer", "Section", "Nav" und andere mehr. Bestehende Elemente werden zudem neue Attribute erhalten. Eine Zusammenstellung der Unterschiede zwischen HTML 4 und HTML 5 findet man unter dev.w3.org/html5/html4-differences/ - wobei noch einmal betont sei, dass es sich bei HTML 5 erst um einen Entwurf handelt. Trotzdem gibt es Browser, welche zu mindest Teile von HTML 5 bereits unterstützen. Allen voran Google Chrome, aber auch Firefox und Opera, wobei dort der Support für HTML 5 teilweise erst in Beta-Versionen angeboten wird. Internet Explorer V8 unterstützt noch kein HTML 5, diese Unterstützung kommt mit IE V9.

Neben dem HTML-Standard wird auch der Standard für CSS weiterentwickelt. Zum einen versucht man mit Level 2.1 einige Schwächen von Level 2 auszumerzen, zum anderen arbeitet man gleichzeitig an Level 3. Hier steht die Unterstützung mehrerer Styles abhängig vom Ausgabegerät im Vordergrund. Dabei kann bereits die Fensterbreite zu unterschiedlichen Darstellungen führen. Beispielsweise kann die Navigation je nach verfügbarem Platz oben oder seitlich im Dokument angezeigt werden. Dabei erfolgt die Steuerung ausschliesslich über CSS, es werden keine Scripts benötigt.

Am späten Nachmittag besuchte ich noch eine Präsentation von Google Wave, eine webbasierte Anwendung für einfache Kollaborationen. So kann man eine "Welle" erstellen, um ein Meeting zu planen, wobei Gadgets wie Google Maps integriert werden können. Man kann aber in einer Welle auch ein Meeting mit gemeinsamen Notizen durchführen, Projekte organisieren oder ein Photoalbum anlegen. Die Vielfalt der von Google angebotenen Dienste ist wirklich beeindruckend - um nicht zu sagen schon fast beängstigend.

Während der abschliessenden Closing Ceremony wurden diverse Awards für beste Poster und beste Paper vergeben. Bemerkenswert scheint mir, dass der Best Poster Award an Paul Dütting von der EPFL (plus 2 Co-Autoren) ging. Ganz zuletzt wurde der nächste Austragungsort präsentiert. Turnusgemäss folgt nach einer Konferenz in Europe (Madrid 2009) und Nordamerika nun wieder eine Austragung im asiatischen Raum. WWW2011 wird Ende März in Hyderabad in Indien stattfinden.

Fayetteville Street in Raleigh, NC Hotelzimmer im Mariott in Raleigh, NC
Fayetteville Street Hotelzimmer

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2. Dokumentation:

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3. Geschichte und Statistik:

Die Serie der Web-Konferenzen begann im Frühjahr 1994 mit der WWW1, welche am CERN in der Nähe von Genf in der Schweiz statt fand. Es gab im Herbst 1994 eine zweite Konferenz in Chicago, USA. Es wurde angekündigt, dass jedes Jahr eine Konferenz in Europa und eine den USA veranstaltet werde, weshalb ich an der WWW2 nicht teilnahm. Aber an der WWW3 in Darmstadt, Deutschland wurde mitgeteilt, dass in Zukunft nur noch eine Konferenz pro Jahr durchgeführt werde. Es gelang mir, meinen Chef davon zu überzeugen, dass ich im Dezember 1995 an der WWW4 in Boston teilnehmen sollte, obwohl ich im selben Jahr schon in Darmstadt dabei war. Ab diesem Zeitpunkt habe ich bis zum heutigen Tag jede Web-Konferenz besucht. Die untenstehende Tabelle führt alle Konferenzen auf und enthält sowohl Links zu meinen Berichten als auch zur offiziellen Website der jeweiligen Konferenz.

Nr Jahr Konferenz
(Link zur offizielle Website)
Ort Land Teilnehmerzahl*
1 1994 WWW1 Genf Schweiz (CH) 380
2 1994 WWW2 Chicago USA 750
3 1995 WWW3 Darmstadt Deutschland (D) 1075
4 1995 WWW4 Boston USA 2000
5 1996 WWW5 Paris Frankreich (F) 1452
6 1997 WWW6 Santa Clara USA 2000
7 1998 WWW7 Brisbane Australien (AUS) 1100
8 1999 WWW8 Toronto Kanada (CAN) 1200
9 2000 WWW9 Amsterdam Niederlanden (NL) 1400
10 2001 WWW10 Hongkong Hongkong (HK) 1220
11 2002 WWW2002 Honolulu USA 900
12 2003 WWW2003 Budapest Ungarn (H) 850
13 2004 WWW2004 New York USA 1000
14 2005 WWW2005 Chiba Japan (J) 900
15 2006 WWW2006 Edinburgh Schottland (UK) 1124
16 2007 WWW2007 Banff Kanada (CA) 940
17 2008 WWW2008 Peking China (CN) 875
18 2009 WWW2009 Madrid Spanien (ES) 1000
19 2010 WWW2010 Raleigh USA 1040
*) Hinweis: Es ist sehr schwierig, verlässliche Teilnehmerzahlen zu erhalten. Die Zahl basiert entweder auf der Teilnehmerliste wo vorhanden, auf den Angaben des Veranstalters oder auf meiner eigenen Einschätzung. Die Teilnehmerzahl für WWW2 ist bloss eine Schätzung, dazu habe ich keine Angaben gefunden und ich war ja nicht dabei.

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4. Vorangegangene Konferenzen:

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Produktions-Hinweis:

valid HTML V4.01 Dieser Bericht wurde auf einem ASUS Eee PC mit Windows 7 Ultimate und Softquad HoTMetaL erstellt.
Dieses Dokument erfüllt die Anforderungen von HTML V4.0 strict.
valid CSS

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